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Kollegiale Beratung: Führungskräfte gezielt fördern

Kollegiale Beratung ist eine wirkungsvolle Methode – insbesondere für die Führungskräfteentwicklung. Denn klassische Seminare bzw. Trainings bieten Teilnehmenden oft wenig Raum, ihre Erfahrungen bzw. individuellen Anliegen einzubringen. Dies ermöglicht die Kollegiale Beratung. Daher überrascht, dass dieses Personalentwicklungsinstrument in Unternehmen noch eine eher geringe Rolle spielt. Erfahren Sie im Folgenden mehr über die Methode, den Ablauf, ihren Nutzen und ihre mögliche Ein- bzw. Durchführung.

Definition

„Die“ Definition für Kollegiale Beratung (oft auch Kollegiale Fallberatung, Kollegiale Praxisberatung, Kollegiales Coaching oder Intervision genannt) existiert nicht. Vereinfacht ausgedrückt entwickeln die Teilnehmenden – oftmals Führungs(nachwuchs)kräfte – in regelmäßigen Treffen gemeinsam Lösungen für Fragen bzw. Probleme aus ihrer beruflichen Praxis. Dabei folgen die Teilnehmenden einer festgelegten Struktur. Die Beratung erfolgt „kollegial“ in der Gruppe, also grundsätzlich selbstständig ohne Moderator bzw. Leiter. Eine (externe) Unterstützung durch einen erfahrenen Berater bzw. Moderator kann jedoch insbesondere bei der Konzeption und Einbettung in ein bestehendes Personalentwicklungskonzept sowie in der Einführungsphase hilfreich sein. Der Einsatz eines Moderators ermöglicht z. B. auch die Aufteilung einer größeren Gruppe für die parallele Durchführung der Beratung und den anschließenden Austausch im Plenum.

Ablauf und Rollen

Die Kollegiale Beratung erfolgt nach der Grundstruktur Fallschilderung, Analyse und Lösung. Die Beratung eines Praxisfalls dauert insgesamt rund 60 Minuten. Die einzelnen Schritte dauern dabei in der Regel 5 bis 10 Minuten. Der typische Ablauf:

  • Vorbereitung: Vereinbarung der Spielregeln, Orientierung über die aktuellen Fälle, Festlegung der Reihenfolge und Rollen
  • Schilderung der Situation bzw. des Falls und des Beratungsziels durch die/den Ratsuchende/n
  • Befragung durch die Beratenden zur Klärung von Verständnisfragen (ohne Bewertung bzw. Diskussion, (noch) keine Lösungsvorschläge)
  • Analyse durch die Beratenden: Sammlung von Hypothesen bzw. Erklärungsansätzen, ggf. Rückmeldung der/des Ratsuchenden (hinsichtlich gewünschtem Schwerpunkt)
  • Lösung: Entwicklung und Präsentation von Lösungsvorschlägen durch die Beratenden
  • Feedback der/des Ratsuchenden (Zusammenfassung, Entscheidung und Fokus für Umsetzung)
  • Abschluss im Plenum: Austausch über vergleichbare Situationen bzw. Erfahrungen, Reflexion (Vorgehen, Ergebnis).

Nach jeder Beratungsrunde werden die Rollen (typisch sind: Ratsuchende/r bzw. Fallgeber/in, Beratende (die übrigen Teilnehmenden der Gruppe), „Wächter/in“ mit Blick auf die Einhaltung des Ablaufs (zeitlich, inhaltlich), ggf. Moderator/in) gewechselt.

Nutzen

Kollegiale Beratung entfaltet insbesondere folgenden Nutzen:

  • Lösung konkreter Probleme durch neue Impulse bzw. Sicht- und Verhaltensweisen
  • zielgruppenadäquate Entwicklung von Führungskräften: Fokus auf Sozial-, Kommunikations- und Problemlösungskompetenz sowie eigenständiges Lernen von den Erfahrungen der Kollegen („Best Practice“)
  • Entlastung bzw. Unterstützung in herausfordernden Berufs-/ Führungssituationen.

Auf der Unternehmensebene bewirkt Kollegiale Beratung vor allem:

  • Weiterentwicklung der Führungskultur durch die Stärkung von Lösungsorientierung, Kollegialität und Offenheit
  • Netzwerk-Festigung durch regelmäßigen Austausch
  • Offenlegung wiederkehrender Schlüsselthemen und mögliche Ableitung von Folgemaßnahmen (z.B. Training, Coaching).

Die Organisation kann im weiteren Verlauf dezentral und eigenverantwortlich durch die Gruppe erfolgen. Vorteilhaft ist auch der relativ geringe Kostenaufwand. Zudem ist das Konzept je nach Bedarf erweiterbar (z.B. durch weitere Trainingsinhalte).

Anregungen für die Praxis

Aufgrund meiner Erfahrung mit der Einführung und Moderation kollegialer Beratungsrunden halte ich folgende Aspekte für wichtig:
Die Methode hat Grenzen bei persönlichen bzw. privaten Themen sowie bei ausschließlich fachlichen Fragen, bei mangelnder Offenheit bzw. Entwicklungsbereitschaft, bei der Bewältigung aktueller einschneidender betrieblicher Veränderungen oder wenn Anwesende in einen Problemfall involviert sind.
Wird bei der Kollegialen Beratung ein externer Moderator eingesetzt, kann man sukzessive die eigenen Personaler als Ansprechpartner bzw. Multiplikatoren einbinden oder die Selbststeuerung durch die Gruppe ausweiten.
Nach der allgemeinen Informations- und Auftaktphase sollten regelmäßige Treffen erfolgen. Die Ausgestaltung als (Inhouse-)Halbtagsformat ist möglich, falls eine ganztägige Abwesenheit vom Arbeitsplatz schwierig sein sollte. Die Durchführung außerhalb des Unternehmens steigert die Konzentration und Offenheit der Teilnehmer und bedeutet noch mehr Wertschätzung. Beratungstermine sind ggf. auch virtuell bzw. online durchführbar.
Die Teilnahme sollte freiwillig, dann aber regelmäßig erfolgen.
Im Abstand von rund sechs bis acht Wochen kann jeweils das nächste Treffen stattfinden. Der Teilnehmerkreis bleibt dabei grundsätzlich gleich. Im weiteren Verlauf kann ein Wechsel der Zusammensetzung der Gruppe bzw. zusätzlicher Fachinput das Format bereichern.
Nach mehreren Treffen empfiehlt sich eine Bestandsaufnahme: Positive Veränderungen (für die einzelnen Teilnehmenden, für das gesamte Beratungsteam bzw. hinsichtlich der Führungs- und Unternehmenskultur), Verbesserungsmöglichkeiten bzw. abzuleitende Folgemaßnahmen (z.B. Training, Coaching).
Neben der beschriebenen eigenständigen Durchführung ist möglich, die Kollegiale Beratung als ein zentrales Element in ein Führungskräfte- bzw. Teamentwicklungstraining zu integrieren.

Fazit

Die Kollegiale Beratung überzeugt als Methode für die Entwicklung von Führungskräften durch ihre belegbare Wirkung, ihre vorteilhafte Kosten-Nutzen-Relation und durch ihre Einsatzmöglichkeiten (als eigenständiges Format oder Trainingselement).

Literatur

Arnold, R. (2018): Das kompetente Unternehmen. Pädagogische Professionalisierung als Unternehmensstrategie. Wiesbaden: Springer Gabler. S. 125-132 [Kapitel 6: Die Stärkung der kollegialen Selbstverantwortung: Die Praxis neuer Formen des Organisationalen, Abschnitte „Ein systemischer Blick auf die Kollegiale Beratung“ und „Die Schritte einer Kollegialen Beratung“]

Kaesler, C. (2019): Kollegiale Beratung in einem agilen Umfeld erfolgreich einführen. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching. Jg. 26, Heft 4. S. 455-470

Kühl, W./Schäfer, E. (2020): Intervision. Grundlagen und Perspektiven [Reihe essentials]. Wiesbaden: Springer

Mattl, C. (2021): Vom Reiz der Intervisionsgruppe. Kollegiale Beratung mit Mehrwert. In: perspektive mediation – Beiträge zur Konfliktkultur. September 2021, Heft 3. S. 174-181

Nagel, M./Mieke, C./Teuber, S. (2020): Methodenhandbuch der Betriebswirtschaft. München: UKV [utb 8564]. S. 444-447 [Abschnitt Personal – Kapitel 8.7: Kollegiale Beratung]

Nowoczin, J. (2020): Kollegiale Beratung [Reihe 30 Minuten]. Offenbach: GABAL

Rowold, J./Krisor, S./Klasmeier, K. N. (2020): Kreatives Team Coaching (KTC). In: J. Rowold/K. C. Bormann/U. Poethke (Hrsg.): Innovationsförderndes Human Resource Management. Grundlagen, Modelle und Praxis. 2. Aufl. Berlin: Springer Gabler. S. 185-195

Tietze, K.-O. (2019): Kollegiale Beratung – einfach aus der Ferne, komplex aus der Nähe. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching. Jg. 26, Heft 4. S. 439-454

Tietze, K.-O. (2020): Kollegiale Beratung. Problemlösungen gemeinsam entwickeln [Reihe Miteinander Reden: Praxis]. 10. Aufl. Hamburg: Rowohlt

Dieser Beitrag wurde ursprünglich online auf dem „Dotzauer-Blog“ veröffentlicht. Seit 2012 informierte der Dotzauer-Blog über HR/Personalmanagement, Führung, Changemanagement und Karriere. Anfang 2022 verzeichnete der Blog weit über eine Viertelmillion Seitenaufrufe. Der separate Blog existiert nicht mehr. Ausgewählte Blogbeiträge wurden jedoch 2022 – in Teilen überarbeitet, verkürzt bzw. aktualisiert – in diese Website integriert. Bei Fragen, Anmerkungen etc. können Sie sich gerne an den Autor wenden.

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