
Klar ist: Die betroffenen Mitarbeitenden sind nicht die Verursacher der Probleme. Nicht selten versucht man, durch Personalfreisetzungen verspätet auf Marktveränderungen etc. zu reagieren. Ein zunächst als sozialverträglich angekündigter Stellenabbau führt dann regelmäßig zum Abschluss von Aufhebungsverträgen und zum Ausspruch von Kündigungen – mit entsprechenden Konflikten, Demotivation, Fluktuation etc. In Ermangelung einer vorausschauenden Personalplanung kommt es sogar vor, dass kürzlich Eingestellte gekündigt werden, ein bis zwei Quartale nach Abschluss der Abbaumaßnahmen aber wieder eingestellt werden müssen, weil die Personaldecke zu knapp bemessen ist.
Umgekehrt klagen Unternehmen vermehrt über Fachkräftemangel. Eine vorausschauendere Personalpolitik könnte diesen zumindest teilweise beheben. Leider ist die vorherrschende Betrachtungsweise wenig kompetenz- bzw. potenzialgeprägt und erschwert Quereinstiege.
Reduzierung der Überdeckung – und negativer Auswirkungen
Personalfreisetzung hat zum Ziel, eine Personalüberdeckung zu reduzieren. Während für das Unternehmen dabei primär ökonomische Überlegungen im Vordergrund stehen, bedeuten Personalfreisetzungen insbesondere für die Mitarbeitenden meist negative Auswirkungen (beispielsweise den Verlust von Selbstwertgefühl, Status oder der Existenzgrundlage).Personalfreisetzung ist (noch) nicht mit Kündigung gleichzusetzen. Meist könn(t)en Ursachen wie rückläufige Konjunktur, technologischer Wandel, strategische Neuausrichtung, Standortverlagerungen etc. zu einer planvollen Personalfreisetzung mit eher antizipativem Charakter führen. Darüber hinaus könnten – mit einer proaktiven bzw. flexibleren Personalpolitik – generell Mitarbeiterpotenziale stärker gefördert werden, mit denen erforderliche Anpassungen vorausschauender bzw. leichter erfolgen können.
Interne versus externe Freisetzung und geeignete Prozessgestaltung
Eine mögliche Unterscheidung der Alternativen der Personalfreisetzung bezieht sich darauf, ob der Personalbestand reduziert wird. Dies ist bei externer Personalfreisetzung (also in Richtung Arbeitsmarkt), u.a. durch Nichtverlängerung von Verträgen, Aufhebungsverträge, Kündigungen oder Outplacement der Fall.Interne Personalfreisetzung beinhaltet dagegen u.a. „weichere“ Maßnahmen wie Personalentwicklung, Versetzung oder Abbau von Mehrarbeit. Diese Maßnahmen erfordern jedoch mehr Umsicht bzw. Zeit.
Nicht nur mit Blick auf das Unternehmensimage sollte die Planung des Freisetzungsprozesses zielorientiert, gleichzeitig aber auch möglichst wertschätzend erfolgen. Wichtige vorbereitende bzw. unterstützende Maßnahmen sind beispielsweise Einzelcoaching, Training oder Outplacement. Zielgruppe sind sowohl die Betroffenen als auch die Führungskräfte, oft auch die jeweiligen Abteilungen bzw. Teams.
Bereits das Vorbereiten und Führen eines Kritikgesprächs stellt für manche Führungskraft eine Herausforderung dar. Trennungsgespräche erfordern noch deutlich mehr Professionalität. Kürzlich geriet beispielsweise eine Sparkasse massiv in die Kritik, weil ungeeignet mit dem Instrument Aufhebungsvertrag umgegangen wurde: Dabei handelt es sich eben nicht um eine Kündigung. Auch eine sofortige Freistellung muss nicht zwingend erfolgen.
Rechtzeitige und offene Gespräche vorausgesetzt, können Arbeitgeber und Betroffene in einem gewissen Rahmen die Trennungskonditionen und das weitere Vorgehen beeinflussen. Unprofessionelles Trennungsmanagement dagegen führt in jedem Fall zu massiven verdeckten Kosten, beispielsweise durch Absinken der Produktivität, Verschlechterung des Betriebsklimas, Anstieg der Fehlzeiten oder Fluktuation von Leistungsträgern. Daher ist auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein wertschätzendes Vorgehen zielführend.
Abhilfe durch Reflexion sowie dialog- und wertebasiertes Miteinander
Besser wäre, der drohenden Negativspirale durch eine vorausschauende Unternehmens- und Personalpolitik zu entkommen. Generell hilfreich wäre, die Qualität der Zusammenarbeit im Unternehmen zu reflektieren und ständig zu verbessern. Aspekte wie Transparenz, konstruktives und wertschätzendes Miteinander, Verantwortung, Vertrauen etc. fördern das Treffen geeigneter Entscheidungen oder zumindest den Mut, auf unerwünschte Auswirkungen oder ungeeignete Zielvorgaben hinzuweisen.Doch leider scheinen wichtige Themen wie Ethik oder Werte in der vorherrschenden Unternehmens- bzw. Führungsrealität eine untergeordnete Rolle zu spielen. Der nachweisliche betriebswirtschaftliche Nutzen wird unterschätzt. Und im Gegensatz zum Druck von Imagebroschüren erfordert das Schaffen eines dialog- und wertebasierten Miteinanders mit Fokus auf Kunden und Umfeld Zeit. Entsprechende praxisbewährte Konzepte existieren und erhalten aktuell zunehmend Aufmerksamkeit – gefühlt leider jedoch noch nicht ausreichend von Seiten des Managements.
Ausgewählte Literaturempfehlungen (Abruf 27.10.2015)
Andrzejewski, L./Refisch, H. (2015): Trennungs-Kultur und Mitarbeiterbindung. Kündigungen, Aufhebungen, Versetzungen fair und effizient gestalten. Reihe Personalwirtschaft, 4. neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Köln: Luchterhand/Wolters Kluwer
Berthel, J./Becker, F. G. (2013): Personal-Management: Grundzüge für Konzeptionen betrieblicher Personalarbeit, 10. überarbeitete und aktualisierte Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel [vgl. Kap. 4 Personalfreisetzung, S. 387-411]
Braun, S./Peus, C. (2014): Wertschöpfung durch Werte? Vom Nutzen ethikorientierter Führung, PERSONALquarterly, 1/2014, S. 28-33
Wien, A./Franzke, N. (2014): Unternehmenskultur – Zielorientierte Unternehmensethik
als entscheidender Erfolgsfaktor, Wiesbaden: Springer Gabler
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